A39-Buzzword-Bingo bei Infrastrukturkonferenz in Wolfsburg

Hallo zusammen,

Forum AutoVision Wolfsburg

am vergangenen Mittwoch war ich auf der Infrastrukturkonferenz 2015 in Wolfsburg. Vor allem wegen dem eigentliche Schwerpunktthema „Wachstumsachse Elbe-Seitenkanal“ meldete ich mich zu dieser Veranstaltung an.

Beim fotografieren des Aufsteller vor dem Veranstaltungsgebäude kam ein grimmig dreinschauender und sonnenbebrillter Zweimetermann auf mich zu. Die Präzenz dererlei Security-Kräfte deute dann schon auf ein zusammentreffen von V.I.P.s. Somit konnte ich dann gut beschützt das Gebäude betreten 🙂

Ohne A39 fehlt mir Stau…!?

Dort bekam ich von freundlichen Servicekräften mein Namensschild ausgehändigt und durfte mir Buttons aussuchen. Ein Button für die „Weddeler Schleife“ und den für eine neue Schleuse in Scharnebeck, musste man mir nicht anpreisen. Wie sich zum Ende der Veranstaltung heraus stellte, war es eine gute Wahl, denn dort wurde aufgezählt, welche Buttons am häufigsten ausgegeben wurden. Da zeigte mal wieder, welche armseligen Mittel die Pro-A39-Lobby anwenden muss, um ihre Nonsensautobahn A39 zu verkaufen. Oben im Foyer des Veranstaltungssaals dann ein weiterer höchst zweifelhafter Versuch den toten Gaul A39 zu reiten. Dort wurden unter dem Titel „Unsere A39“ Fotos für eine Imagekampagne mit dem Motto „Ohne A39 fehlt uns was“ mit Besuchern gemacht. Da stand dann zum Beispiel in großen Lettern „STU“ und den fröhlich dreinschauenden „Motiv-Opfern“ wurde ein großes blaues „A“ in die Hand gedrückt. „Ohne A39 fehlt mir der Stau..!?“


Selbst Verkehrsminister Olaf Lies war sich nicht zu Schade, um unter „NKOMMEN“ zu posieren. Für „ENTLSTUNG“ stand Staatssekretär Enak Ferlemann nicht nur artig vor der Kamera, sondern anschließend als wortgewandter Opener am Rednerpult. A39-Anhänger mussten bei der gut ausgearbeiteten Rede von Herrn Ferlemann sehr lange auf ihr Buzzword warten, denn ganz unverblümt machte er zuerst deutlich, dass beim Individualverkehr die Wachstumsgrenze erreicht ist. Mutig so etwas in einer Autostadt wie Wolfsburg zu sagen! Statt dessen sieht der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Schiene und Luftverkehr ganz weit vorne.  Ebenso erklärte er den Anwesenden lang und breit die Devise „Erhalt vor Neubau“ des Bundesverkehrsministeriums. Aber als guter Gastredner in einer von A39-Lobbyisten organisierten Veranstaltung kam ganz zum Schluss noch das erlösende Schlagwort „Lückenschluss“.  Der niedersächsische Verkehrsminister folgte mit einer sehr eloquenten Rede zur Infrastruktur. „Wolfsburg sei ein gutes Beispiel dafür, wie Verkehr zum Problem werden kann!“ waren seine Worte. Für den anwesenden Oberbürgermeister Klaus Mohrs muss das wie ein Tritt ins Gemächt gewesen sein, denn in seinem vorangegangenen Grußwort beschwor er abermals die Mär vom scheinbar alternativlosen 6-spurigen Ausbau bestehenden A39 bis Wolfsburg.

OB Mohrs in der Mitte oder eine Randnotiz!?

Olaf Lies machte ebenfalls deutlich, dass nur Projekte mit der Bewertung „Vordinglicher Bedarf Plus“ im Bundesverkehrswegeplan eine Chance auf Realisierung haben. Den wenigsten Anwesenden war wohl bewusst, dass der seit vielen Jahren geplante A39-Neubau von Wolfsburg nach Lündeburg eben nicht diesen Status hat. Fast aus Ignoranz der von ihm selbst genannten Tatsachen äußerte er die (Un)Möglichkeit, einer Fertigstellung in 8-9 Jahren. Allerdings mit dem Zusatz, wenn die bösen, bösen A39-Gegner nicht den Klageweg beschreiten. Bis heute hat noch kein einziger der sieben Planungsabschnitte einen Planfeststellungsbeschluss erhalten, wohin die Weddeler Schleife bereits Baureife hat und trotzdem nicht in Angriff genommen wird. Und das, obwohl sich der Volkswagen Konzern hier ganz offiziell stark macht. Was die VW-Konzernspitze für den geplanten A39-Neubau übrigens noch nie getan hat!

Anschließend folgte der Amtskollege von Lies aus Sachsen-Anhalt Thomas Webel. Den vom Nationalstolz getragen Anfangsworten zu 25 Jahren Wiedervereinigung folgte eine Überdosis für mein „A39-Buzzword-Bingo„. Spätestens beim Argument „größter autobahnfreier Raum“ hätte ich laut Bingo schreien können und mich zum Fingerfood im im Foyer verabschieden können. Nichts als Hohlprasen und dann noch auf dem Niveau eines Kreistagsabgeordneten… Einfach nur einschläfernd…

Andreas Rieckhof, Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation in Hamburg, nahm anschließend nach dem Motto „Eure Verkehrsprobleme hätte ich gerne“ die Wolfsburger auf die Schippe. Wie für den überwiegenden Teil der Bundesbürger, ist auch für die Hansestädter eine Heideautobahn nur Randnotiz bzw. überhaupt nicht auf dem Radar. Wachstumsmöglichkeiten bestehen hier vor allem im Ausbau der Binnenschifffahrt, wenn von Hinterlandanbindung die Rede ist. Gefallen haben mir noch zwei Redner aus der Frage-Schlussrunde: Bemerkenswert wenn ein Leiter der Volkswagen-Konzernlogistik wie Thomas Zernechel, nicht ein einziges Wort für mein A39-Buzzword-Bingo heraus rutscht! Genau wie der Logistikchef der Salzgitter AG, welcher vehement den Ausbau der Wasserwege forderte.  

Fazit: Etwas frech war die Schlussfrage vom Moderator Thomas Krause (Vorstand der Wolfsburg AG) schon: „Nach drei Jahren, sind nun die großen drei Infrastrukturthemen abgearbeitet, lohnt sich eine weitere Konferenz im nächsten Jahr? Passiert ist ja bisher nichts!“. Denn auch diesmal war es eher ein gemütlicher Senioren-Bingo-Nachmittag. Nur irgendwann werden es auch die Leute hier in der Region merken, wie weit so manche verantwortliche Betonköpfe von einem lösungsorientierten Denken und Handeln entfernt sind.

Eine entspannte Sommerpause,

Norbert Schulze

Mitglied der Bürgerinitiative Natürlich Boldecker Land http://vernunftbuerger.blogspot.de

Der Inhalt dieses Beitrages ist meine
persönliche Meinung. Er wurde von keiner Redaktion auf Richtigkeit
und/oder Vollständigkeit geprüft und stellt nicht notwendiger Weise die
Meinung der Bürgerinitiative „Natürlich Boldecker Land“ dar
.

2 Kommentare

  • Michael Richter

    Hallo Herr Schulze, um es vorweg zu nehmen, ich bin sehr für den Erhalt der Umwelt und die unnütze Landnahme durch vermeidbare Bauprojekte, manchmal muß man aber von den schlechten Alternativen die Beste auswählen. Fakt ist eins und ich denke, da sind wir uns einig. Das Verkehrsaufkommen wird keinesfalls abnehmen, sondern in den kommenden Jahren durch das weitere Zusammenwachsen der Wirtschaftsregionen erheblich zunehmen. Das läßt sich auch nicht mehr zurückdrehen.

    Was wäre die Alternative zur Weiterführung der A 39 in Richtung Lüneburg? Wir fahren 2 mal wöchentlich die Strecke Ehra – Hannover und jedesmal bekommt man ein Horn wegen des Verkehrs auf der kurzen Strecke über die B 244 bis zum Anschluß Tappenbeck. Es sind nicht nur die LKWs, sondern der starke Verkehr im allgemeinen. Weiters kommt hinzu, daß es nach meiner Ansicht auf Dauer ein Gewinn für die Umwelt wäre, wenn die Autobahn gebaut würde. Auf Autobahnen verbraucht mein Pkw bis zu 1 Liter weniger Treibstoff in Relation zur Landstraße bei signifikant erhöhter Durchschnittsgeschwindigkeit. Mithin auch entsprechend weniger Schadstoffausstoß. Bei LKWs reden wir von ganz anderen Größenordnungen. Unbestritten wird es während der Bauphase zu negativen Umwelteinflüssen kommen, wahrscheinlich auch noch einige Jahre danach. Aber die Natur arrangiert sich damit, genau wie wir Menschen. Vielerorts sind schon verschwunden geglaubte Arten wieder aufgetaucht, weil sich die Bedingungen verändert haben. Wir denken hier zu kurzfristig. Der Verkehr wird sich keineswegs wieder auf die Bahn verlegen lassen. Das ist das Denken ewig Gestriger. Dafür sind die heutigen Prozesse zu schnelllebig. Für so eine Autobahn kann nach meiner Auffassung auch kein korrekter Kosten-/Nutzenfaktor aufgestellt werden. Denn ist Autobahn erst einmal da, wird sie auch genutzt. Vor 20 Jahren, als es darum ging, die überlastete A2 auf drei Spuren pro Richtung zu erweitern, habe ich immer gesagt, daß das nicht lange ausreicht und die Bahn gleich auf 4 Spuren pro Seite verbreitert werden muß. Hat aber keinen interessiert. Heute haben wir den Salat. Täglich Staus, Unfälle und dergleichen. Die angesprochene Alternative Lösung eines Ausbaus der B4 halte ich für absolut sinnlos, vielleicht noch testweise auf 2 Spuren pro Richtung. Dann fahren die LKWs nicht mehr hintereinander sondern liefern sich hier ihr Elefantenrennen. Die B4 ist jetzt schon hoffnungslos überlastet. Wer es nicht glaubt, soll mal von Braunschweig nach Lüneburg fahren. Irgendwann fängt man an, riskant zu überholen, weil man einfach die Nase voll hat mit 70 in einer endlosen LKW Schlange umherzuzockeln und nicht vorwärtskommt. Nach meiner Auffassung lassen sich solche Vorhaben nicht verhindern, nur verzögern.

  • Hallo Herr Richter, natürlich können wir hier noch viele Jahre den Träumen aus dem letzten Jahrtausend nachlaufen. Scheinbar fehlt hier immer noch die Bereitschaft, das Thema Mobilität neu zu überdenken!?
    Mit dem geplanten Neubau der A39 sieht es jedenfalls sehr schlecht aus! Warum würde sonst die IHK 400.000EUR für einen verzweifelten Werbefeldzug ausgeben? Weil sie nicht ohne Grund befürchten, das es der geplante A39-Neubau nicht auf einen aussichtsreichen Platz im neuen Bundesverkehrswegeplan zum Ende des Jahres schafft. Es macht durchaus Sinn, das das Geld der Steuerzahler in Deutschland nur für Projekte mit hinreichender Rendite ausgegeben werden.