Eine teure Wunschliste – Stellungnahme zum neuen Verkehrskonzept der norddeutschen Unternehmensverbände

Mit
ihrer aktuellen Wunschliste an die Politik, die sie „Verkehrskonzept“
nennen, beweisen die Unterzeichner, dass ihnen Augenmaß und
Interesse an gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen fehlen. Es
handelt sich um ein Papier, in dem sechs Unternehmensverbände,
darunter zwei Bauverbände, die Bundesregierung auffordern, möglichst
viel zu bauen. Sie wünschen sich neue Autobahnen, Schienenwege und
den Ausbau der Wasserstraßen. Natürlich steht es jedem
Interessensverband frei, eine Regierung zu bitten, die eigenen
Mitglieder mit möglichst vielen Aufträgen zu versehen. Aber es
grenzt an Täuschung der Öffentlichkeit, eine solche Wunschliste als
Konzept zum Wohle Norddeutschlands zu präsentieren.

Die
deutsche Infrastruktur hat Nachholbedarf, daran besteht kein Zweifel.
Aber anders als in dem Papier unterstellt, ist das Hauptproblem der
marode Zustand bestehender Verkehrswege, nicht der Mangel an
zusätzlichen Verkehrswegen. Mit gutem Grund verlangen viele
Politiker und Verkehrswissenschaftler, endlich den Grundsatz „Erhalt
vor Neubau“ umzusetzen.
Nur so können bei knappen Kassen
Steuergelder zum Wohle der gesamten Gesellschaft am sinnvollsten
eingesetzt werden, nur so bleibt die bekanntermaßen gute deutsche
Infrastruktur leistungsfähig. Davon steht in dem Papier kein Wort.
Die Verkehrswege vor allem durch Reparaturen und punktuellen Ausbau
in Schuss zu halten ist natürlich nicht im Sinne der Unternehmen.
Sie verdienen am Neubau mehr.

Um
ihre Wünsche den Politikern plausibel zu machen, stellen die
Unternehmensverbände unbewiesene Zusammenhänge her, stellen Wünsche
als Tatsachen dar. Der Dachverband „Keine A 39“ beschränkt sich
hier auf drei Beispiele aus dem Abschnitt zur A 39, der in dem Papier
eineinhalb Seiten einnimmt. So heißt es, dass die Wirtschaftszentren
Wolfsburg, Braunschweig und Lüneburg nur durch die A39 am
wirtschaftlichen Potenzial angrenzender Regionen teilhaben könnten.
Tatsache ist aber, dass die Großregion Braunschweig/Wolfsburg durch
die nahen Autobahnen A 2 und A 7 nach allen Himmelsrichtungen bereits
gut angebunden ist. Die Stadt Lüneburg ist mit der für sie
wichtigen Metropole Hamburg ebenfalls durch eine Autobahn verknüpft.
Studien zeigen seit Jahren immer wieder: Im engen deutschen
Verkehrsnetz generieren neue Autobahnen kein Wirtschaftswachstum
mehr.

Weiter
argumentieren die Unternehmensverbände, dass die Ortschaften an der
B 4 durch die A 39 spürbar entlastet würden. Aber der Verkehr auf
dieser Bundesstraße ist überwiegend regionaler Verkehr. Die
Autobahn würde zwar das Anschwellen des Verkehrs bremsen, aber die
Ortschaften nicht dauerhaft entlasten. Die öffentlich zugänglichen
Prognosen der Lüneburger Straßenbaubehörde, die für die Planung
der Autobahn zuständig ist, zeigen: Spätestens im Jahr 2025 hätte
der Verkehr auf der B 4, auch wenn die Autobahn bis dahin realisiert
worden sein sollte, die Stärke wieder erreicht, die er bereits im
Jahr 2005 hatte. Entlastung kann den Anwohnern der B 4 daher nur der
dreispurige Ausbau der Straße mit Ortsumgehungen bringen, wie ihn
die niedersächsische Koalition als Alternative zur A 39 beim
Bundesverkehrsministerium angemeldet hat. Er würde den Steuerzahler
nur ein Viertel des Betrages kosten, den die Autobahn verschlingen
würde. Zu diesem Projekt aber findet sich kein Wort in dem Papier
der Wirtschaftsverbände. Schließlich würde der Ausbau der B 4 den
Unternehmen nur ein Viertel des Auftragsvolumens des Autobahnneubaus
bescheren.

Fast
schon kurios mutet die Ahnungslosigkeit an, die das Papier unter dem
Punkt „Planungsstand“ offenbart. Demnach ist die Stadt
Wolfenbüttel für die Planung der Autobahn zuständig; sie werde die
Unterlagen im September der Planfeststellungsbehörde zuleiten. Den
Autoren des Konzepts ist offenbar entgangen, dass dies lediglich für
den Abschnitt 7 der Autobahn gilt und dass für fünf Abschnitte noch
kein Planfeststellungsverfahren in Sicht ist.

Das
Konzept der Unternehmensverbände ist vor allem im eigenen Interesse
und ohne Rücksicht auf Umwelt und gesamtgesellschaftliche
Zusammenhänge geschrieben. Das zeigt sich am deutlichsten unter dem
Stichpunkt Finanzierung. Die Verbände plädieren dafür, die
Einnahmen aus Mineralölsteuer und Maut für den Neubau einzusetzen.
Kein Wort davon, dass das Geld für den Erhalt der
Verkehrsinfrastruktur dringend gebraucht wird. Die Unternehmen
plädieren – angeblich mit Blick auf die Staatsverschuldung – für
Privat-Public-Partnership, also für die private Finanzierung
öffentlicher Projekte, die der Staat dann über Jahrzehnte bei den
Investoren abstottert. Der Bundesrechnungshof hat allerdings an die
Politiker appelliert, von solchen Modellen die Finger zu lassen, weil
sie den Staat teurer kommen, als der Bau in Eigenregie. Wer für
solche Modelle wirbt, wirbt dafür, die nachfolgenden Generationen
mit hohen Kosten zu belasten. Er ignoriert den demografischen Wandel,
der dazu verpflichten sollte, schon heute verantwortungsvoll für
jene Zeiten zu planen, in denen die Bevölkerungszahl sinkt.

Quelle: Presseerklärung
des Dachverbands „Keine A 39“ vom 8.10.2014