Tappenbeck: Grundsatzentscheidung gegen die Autobahn A39

Bürgermeister-Rücktritt nach A39-Abstimmung im Gemeinderat Tappenbeck.

Mit fünf Ja- zu vier Nein-Stimmen und einer Enthaltung fand der Antrag, sich politisch gegen den Weiterbau der A 39 zu positionieren, Zustimmung im Tappenbecker Gemeinderat. Statt einer Autobahn wollen die Antragsteller Kai Schneider und Achim Kohn (beide WTB) eine Umgehungsstraße für ihren Ort beantragen. Bürgermeister Niklas Herbermann, ebenfalls Mitglied der »Wählergemeinschaft Tappenbecker Bürger«, legte daraufhin am Ende der Sitzung sein Mandat als Ratsherr zum 31. August nieder. Sein Bürgermeister-Amt, das der 75-Jährige seit 1995 ausübt, wird zunächst sein langjähriger Stellvertreter Gerhard Chananewitz übernehmen. Tappenbeck ist damit – nach Jembke – im Boldecker Land die zweite Gemeinde, deren Bürger sich mehrheitlich gegen die A 39 entschieden haben.

Es war eng, heiß und trotz geöffneter Fenster stickig, gestern im kleinen Sitzungssaal der 1408-Seelen-Gemeinde Tappenbeck. Über 60 Zuhörer drängten sich um die Runde der zehn Ratsherren. (Einer fehlte entschuldigt.) Die Sitzung wurde vom Bürgermeister auf die Minute pünktlich um 17.45 Uhr mit einer 15-minütigen Bürgerfragestunde eröffnet. Gleich zum Beginn übergab Tanja Düvel, Mitglied der Bürgerinitiative NATÜRLICH BOLDECKER LAND, an Niklas Herbermann Listen mit 623 Unterschriften von Tappenbeckern, die sich gegen den Bau der A 39 ausgesprochen hatten. Mehr als 20 freiwillige Helfer waren in der Gemeinde von Haus zu Haus gezogen und hatten die 1017 wahlberechtigten Bürger des Ortes zu ihrer Meinung befragt, nachdem eine offizielle Bürgerbefragung bei einer früheren Ratssitzung aus »Aufwands- und Kostengründen« abgelehnt worden war.

Tanja Düvel erklärte: »Viel zu lange hat man uns hier erzählt, dass die Mehrheit im Ort die A39 wolle – aber jetzt, mit diesen Unterschriften, können wir endlich mal beweisen: Das ist ja gar nicht so!« Sie bekam reichlich Applaus der Zuhörer, von denen die meisten mit ihrer Unterschrift bereits ihren Unmut gegen die Autobahn bekundet hatten.

Norbert Schubert, ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative NATÜRLICH BOLDECKER LAND, hatte aber »noch etwas anderes im Gepäck«: Das Gutachten eines Hannoverschen Planungsbüros aus dem Jahr 2009, dessen Experten schon damals eindringlich vor negativen Folgen für das Boldecker Land durch einen Weiterbau der A39 gewarnt hatten. Dieses Gutachten, so erläuterte Ratsherr Kai Schneider, sei nach Erkenntnissen der Bürgerinitiative NATÜRLICH BOLDECKER LAND, der Schneider ebenfalls angehört, damals an alle Bürgermeister der Samtgemeinde Boldecker Land verteilt worden. Sowohl Schneider als auch Schubert wollten wissen, ob es zuträfe, dass das Gutachten im Auftrag der Samtgemeinde erstellt worden war und warum danach offenbar von den Politikern »nie gehandelt wurde«. Der Tappenbecker Bürgermeister Niklas Herbermann konnte – oder wollte – sich jedoch nicht mehr daran erinnern, diese Expertise schon einmal gesehen zu haben. Somit mochte er auch keine Fragen dazu beantworten. Auf die Erörterung dieses Themas und Fragen der Bürger danach, wird sich nun wohl Samtgemeindebürgermeister Lothar Leusmann gefasst machen müssen, der jedoch gestern nicht anwesend war.

Zum Unmut der Zuhörer, die vorwiegend wegen der Autobahn-Abstimmung gekommen waren, mussten nach der Bürgerfragestunde zunächst noch weitere, vergleichsweise belanglose Punkte auf der Tagesordnung abgehandelt werden, bevor Herbermann unter Punkt acht zum Wesentlichen kam. Doch vor der Abstimmung über den Antrag von Kai Schneider und Achim Kohn versuchte der Bürgermeister noch einen »Kompromiss« zu improvisieren:

Es werde sicher niemanden wundern, wenn er dem Antrag nicht zustimmen könne, sagte er. Schließlich könne »der Bund ja die Autobahn trotz des Widerstands noch bauen«. Man täte immer gut daran, damit zu rechnen und »darauf vorbereitet zu sein«, so Herbermann. »Und solange ich hier noch was zu sagen habe«, bekräftigte er schon fast trotzig, »kümmere ich mich um Gelder für unsere Sportanlage und werde mich auch bemühen, die Tank- und Rastanlage zu verhindern.« Deshalb wolle er sich nicht gegen die A 39 aussprechen.

Weshalb er nicht das Eine – die offizielle Haltung der Gemeinde gegen den Weiterbau der A39 – mit dem Anderen – im Falle des Autobahnbaus weiter gegen eine Rastanlage und für einen adäquaten Ersatz des Tappenbecker Sportheims zu kämpfen – verbinden könne, vermochte der 75-Jährige nicht zu sagen. Sein »Kompromiss-Vorschlag« lautete deshalb: Er wolle einen Brief an das Bundesverkehrsministerium schreiben, an »verschiedene Abgeordnete und auch an Herrn Lies, falls das gewünscht wird«, dass sich – Punkt eins – »die Mehrzahl der Bürger seiner Gemeinde bei einer Umfrage gegen die A 39 ausgesprochen hätten«. Und Punkt zwei: »Sollte der Bund dennoch die A 39 bauen, erwarte die Gemeinde, dass keine Tank- und Rastanlage (Anmerkung: zwischen Tappenbeck und Jembke) gebaut und genug Geld für ein neues Sportheim zur Verfügung gestellt werde«. Dieser Vorschlag endete mit fünf zu fünf Stimmen und wurde damit abgelehnt. Gleich darauf folgte dann die Abstimmung über den ursprünglichen Antrag von Kohn und Schneider, in der Herbermann mit seiner Position unterlag. Dass Niklas Herbermann am Ende der Sitzung seinen Hut als Bürgermeister nahm, habe dennoch nichts mit dem Abstimmungsergebnis zu tun, betonte er. Eine besondere Erklärung für seine Entscheidung lieferte er jedoch nicht.

Er sicherte zu, dem Votum des Rates zu folgen und dem Bundesverkehrsministerium die Tappenbecker Entscheidung gegen die A39 mitzuteilen. Es dürfte nach achtzehn verdienstvollen Jahren eine seiner letzten Amtshandlungen als Bürgermeister werden. Dazu, ob Herbermann sein Mandat im Kreistag beibehält, wurde gestern nichts mehr bekannt.

PRESSEMITTEILUNG: Anne-Kathrin Schulze, (Presse-Information Bürgerinitiative Natürlich Boldecker Land).