Lüneburg: 600 Menschen fordern Klimaschutz statt Autobahn A39

BI „Natürlich Boldecker Land“ protestiert in Lüneburg gegen den Neubau der A39

Rund 600 Menschen setzten am vergangenen 17. April in Lüneburg ein Zeichen für eine Verkehrswende und gegen den Neubau der A39, die auch durch das Boldecker Land führen soll. Die Gegner der geplanten Autobahn radelten in einem Protestzug auf der derzeitigen Ostumgehung von Lüneburg, die der Autobahn einverleibt werden soll, um ein Zeichen gegen den geplanten Neubau der A 39 zu setzen. Unter den zahlreichen Initiativen und Gruppen, die aus den Regionen Gifhorn, Wolfsburg, Uelzen und Lüneburg anreisten, waren auch Mitglieder der BI „Natürlich Boldecker Land“.

Seit 2012 setzt sich die Bürgerinitiative, darunter Karin Loock aus Jembke und Norbert Schulze aus Bokensdorf, bei uns im Boldecker Land gegen den Bau der A39 ein. Beide waren in Lüneburg dabei. Karin Loock erklärt: „Der Neubau der A 39 ist viel zu teuer. Von anfänglich 400 Millionen Euro sind es nun 1,4 Milliarden Euro, wobei darin noch nicht mal alle Kosten enthalten sind! Das können wir uns nicht mehr leisten. Die A39 zerstört nicht nur unsere Umwelt, sie widerspricht auch unseren Klimazielen.“ Es sei höchste Zeit, meint Loock, dass die Politik sich von „dieser Planung aus dem letzten Jahrhundert verabschiedet“.

Welche Bedeutung hat die A39 für das Boldecker Land?

„Neue Straßen sorgen für weitere Belastung in der Region“, sagt auch Norbert Schulze. „Im Bundesverkehrswegeplan ist die A 39 als Ausweichstrecke für die A7 ausgewiesen. Sie zerteilt unsere Dörfer! Sie würde durch schützenswerte Moor- und Waldgebiete führen, würde Teile des Tappenbecker und des Vogelmoores vernichten. Alte Eichenbestände in der Barwedeler Heide müssten weichen – und sie soll dort auch noch mitten durch ein Wohngebiet gebaut werden.“

Karin Loock fügt an: „Mit dem Neubau der A 39 holen wir uns den internationalen Transitverkehr ins Boldecker Land, der dann vorher auf der A 7 gefahren ist! Wir würden mit Emissionen belastet, die vorher nicht da waren. Der Freizeit- und Erholungswert unseres Lebensraums würde erheblich gemindert werden.“

Zudem müssten Landwirte und Grundeigentümer ihr Land für die Autobahn hergeben. „Viele Existenzen sind dadurch gefährdet“, warnt Loock. „Schon seit 2010 sind die betroffenen Landwirte mit einer Flurbereinigung gefesselt und daher mit einer Veränderungssperre belegt. Sie werden in ihrer betrieblichen Entwicklung behindert, und das Jahrzehnte lang.“ Eine solche Flurbereinigung dauere, über den Autobahnbau hinaus, in der Regel mindestens 20 Jahre und ziehe sich damit in die nächste Generation.

Verkehrszunahme und fehlende Ortsumgehungen

Auf der B 188, in Osloß und Weyhausen, würde es durch die A 39 zu einer Verkehrszunahme kommen, da mehr Fahrzeuge aus Richtung Gifhorn kommend auf die Autobahn Richtung Lüneburg wollten, warnt Loock. „Und das alles ohne Ortsumgehungen! Dabei haben die Ortsumgehungen Osloß und Weyhausen im Bundesverkehrswegeplan ein höheres Kosten-Nutzen-Verhältnis als die Autobahn. Aber weil der A 39 eine politische Priorität eingeräumt wird, gibt man ihr den Vorzug. Doch der Verkehr in Jembke und Tappenbeck wird nicht abnehmen, da die nächste Anschlussstelle erst in Ehra ist. Bei Staus auf der A 39 würde der internationale Transitverkehr durch unsere Dörfer rollen.“ Beispielhaft dafür seien die Ortschaften an der A 2. Außerdem werde die Bundesstraße 248 von Tappenbeck bis Ehra zur Kreisstraße herabgestuft. Viele LKW würden weiterhin durch Tappenbeck, Jembke und Barwedel fahren, da auf einer Kreisstraße keine Maut zu entrichten sei. „Und Spediteure sparen auch bei Cent-Beträgen“, warnt Loock.

T+R-Anlage und Kiesabbau belasten Anwohner und Natur

Norbert Schulze kritisiert als weitere Folge: „Der historische Kirchweg zwischen Bokensdorf und Jembke würde durch die A 39 gequert. Es ist kein Durchlass vorgesehen. Künftig würde es dort keine Verbindung mehr für Fußgänger und Radfahrer geben.“ Zwischen Tappenbeck und Jembke ist eine einseitig bewirtschaftete Mega-Tank- und Rastanlage mit insgesamt 175 LKW- und 90 PKW-Stellplätzen vorgesehen. „Sie liegt im Kreuzungsbereich B 248/A 39. Die Tank- und Rastanlage würde den ,Lückenschluss‘ zwischen Tappenbeck und Jembke herstellen. Das erste Haus in Jembke ist nur 160 Meter entfernt. Alle Anwohner werden mit Emissionen von Lärm, Licht und Abgasen belastet.“

Die Gemeinde Jembke hatte 2019 – mit Unterstützung der Samtgemeindeverwaltung – erfolglos gegen die Tank- und Rastanlage vorm Bundesverwaltungsgericht geklagt. „Das heißt: Wenn die A 39 gebaut werden sollte, kommt auch die Tank- und Rastanlage. Sie ist bereits planfestgestellt“, erinnert Karin Loock. „Und nur 40 Meter weiter soll noch ein Kiesabbaugebiet im Nassabbauverfahren bis in das Grundwasser hinein entstehen! Am Ende würde ein See von rund zehn Hektar verbleiben, durch den sich unser Grundwasser absenkt und verdunstet, was sich nachteilig auf das Tappenbecker Moor auswirken würde.“

Hoffnung der Autobahn-Gegner auf „Verkehrswende“

Doch die BI hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Baupläne für die A 39 am Ende in der Schublade verschwinden. „Leider steht sie bis 2030 im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes. Unser Abschnitt ist samt Tank- und Rastanlage planfestgestellt. Aber durch Planungsfehler bei der Anschlussstelle Ehra gibt es momentan ein Planänderungsverfahren dazu“, erklärt Loock. „Bis dies abgeschlossen ist, und Klagen dagegen noch nicht abgewendet sind, besteht für unseren Abschnitt von Weyhausen bis Ehra noch kein Baurecht für die A 39.“

Damit dies auch so bleibt, setze sich die BI „Natürlich Boldecker Land“ für eine Verkehrswende ein, so Loock und Schulze. Viele Bürgerinitiativen entlang der A39 kämpften schon seit 2003 gegen die A 39 und zeigten der Politik mit empirischen Gutachten die Sinnlosigkeit dieser Autobahn auf. „Aber die Straßenbaulobby ist der zweitgrößte deutsche Lobbyverband überhaupt“, meint Loock. Daran seien Bauunternehmen aber auch Unternehmen der Rohstoffgewinnung beteiligt. „Das sehen wir ja in Jembke und Ehra, wo Sand- und Kiesabbaufirmen seit Jahren schon ihre Claims abgesteckt haben.“

Norbert Schulze zieht ein positives Resümee seiner Teilnahme an der Fahrraddemo in Lüneburg: „Es waren viele Jüngere dabei. Wir freuen uns sehr darüber, dass immer mehr junge Menschen, die sich um ihre Zukunft sorgen, sich für eine Verkehrswende einsetzen.“

Am 5. und 6. Juni 2021 sollen Demonstrationen gegen den Neubau der A 39 deshalb auch im Boldecker Land stattfinden. Nähere Einzelheiten werden vorab noch in der Presse bekanntgegeben.

Text: Karin Loock, Sprecherin „Natürlich Boldecker Land“;

Fotos: Norbert Schulze